
Der Rechtsstreit um acht Windenergieanlagen im Bereich der Gemeinde Ellern ist beigelegt. Außergerichtlich haben sich BUND, NABU und der Wörrstädter Energiespezialist juwi geeinigt.
NABU, BUND und juwi haben eine gemeinsame Lösung gefunden.
In dem Vergleich verpflichtet sich die juwi-Gruppe, die Windenergieanlagen bei hoher Fledermausaktivität abzuschalten. Außerdem wird juwi zusätzlich zu den bereits begonnenen Bauprojekten keine weiteren Windenergieanlagen im Soonwald errichten. Im Gegenzug ziehen die Naturschutzverbände ihre Klage gegen die Genehmigung der acht Anlagen zurück.
Gegenstand des Rechtsstreites war die von der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises in Simmern erteilte Genehmigung zum Bau von acht Windrädern in den Gemarkungen Ellern und Rheinböllen. Für den Bau der Anlagen wurden ca. 8 Hektar Wald gerodet, von denen ca. 6 ha wieder aufgeforstet werden. NABU und BUND haben sich gegen die Genehmigung dieser WEA gewandt, da es sich nach ihren Erkenntnissen bei dem betroffenen Waldbereich um ein Konzentrationsgebiet von 15 nachgewiesenen Fledermausarten handelt, von denen einige eine landesweit überdurchschnittliche Aktivität im Gebiet aufweisen. „Da wir die Auflagen zum Schutz der Fledermäuse im Genehmigungsbescheidfür unzureichend halten, mussten wir dagegen vorgehen“, sagt Andreas Lukas, stellvertretender Vorsitzender des NABU Rheinland-Pfalz. Im Widerspruchsverfahren vor dem Kreisrechtsausschuss des Rhein-Hunsrück-Kreises waren die Naturschutzverbände unterlegen. Deshalb reichten sie Klage beim Verwaltungsgericht Koblenz ein.
Während des Verfahrens machte juwi den Verbänden einen Kompromissvorschlag, der verbesserte Schutzmaßnahmen für die Fledermäuse vorsieht. So werden die Anlagen jetzt, den Forderungen der Verbände entsprechend, während der besonderen Aktivitätszeiten der Fledermäuse abgeschaltet.
Die Abschaltbedingungen werden vom Freiburger Fledermausfachmann Dr. Robert Brinkmann ermittelt und überwacht. „Ein solches nachvollziehbares Monitoring-Konzept mit Schwellenwerten für die Abschaltungen fehlte bislang im Genehmigungsbescheid, so dass die Fledermauspopulation ohne unsere Vereinbarung mit juwi vermutlich erhebliche Verluste erlitten hätte“, so der Vorsitzende des BUND Rheinland-Pfalz, Dr. Holger Schindler.
Da juwi sich freiwillig zur Einhaltung von Abschaltzeiten und zur Kontrolle des Fledermausschutzes gemäß dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis verpflichtet, ist für die Verbände der wesentliche Klagegrund weggefallen. Zwar sehen NABU und BUND den Standort im Soonwald wegen seiner herausragenden Naturschutzbedeutung nach wie vor sehr kritisch, doch müsse man „zur Kenntnis nehmen, dass die Rechtslage im vorliegenden Fall eine Errichtung der WEA an diesem Standort ermöglicht“, so Dr. Schindler. „Den Fledermausschutz betreffend hat die Einsicht von juwi der Klage den Boden entzogen“.
Das sieht auch Andreas Lukas so. Der NABU-Vize ist sich sicher, dass sich das Engagement seiner Organisation gelohnt hat: „Insgesamt haben wir eine deutliche Verbesserung erreicht. Ein Abriss der Windräder wäre auf Grund der Rechtslage auch dann nicht durchzusetzen gewesen, wenn wir mit unserer Klage Erfolg gehabt hätten. Der im Vergleich vereinbarte Verzicht von juwi auf einen weiteren Zubau von Windrädern im Soonwald wird von vielen Menschen sicher begrüßt.“
„Wir hoffen, dass auch andere Betreiber die Unverträglichkeit weiterer Windenergieanlagen im Soonwald einsehen und es tatsächlich gelingt, den Rest des Soonwalds windenergiefrei zu halten“, betont Dr. Schindler. „Dann hätten wir nicht nur einen akzeptablen Vergleich im aktuellen Klageverfahren erzielt, sondern auch einen in diesem Fall noch vertretbaren Kompromiss zwischen Natur- und Klimaschutz.“
Beim Wörrstädter Spezialisten für erneuerbare Energien wertet man den Vergleich als Bestätigung seiner konsensorientierten, auf Bürgerbeteiligung ausgerichteten
Firmenstrategie. „Energiewende und Naturschutz sind für uns keine Gegensätze“, stellt Matthias Willenbacher, Vorstand und Gründer der juwi-Gruppe klar. „Im Gegenteil: Beides gehört zusammen und wird bei allen unseren Projekten für regenerative Energieanlagen berücksichtigt.“
Auch in Zukunft wollen die Naturschutzverbände und juwi unterschiedliche Interessen und Einschätzungen offen diskutieren und das nach Ansicht der Verbände vorhandene Konfliktpotential zwischen Energiewende und Naturschutz einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zuführen. Für die vereinbarte Zusammenarbeit bei künftigen Genehmigungsverfahren will juwi gemeinsam mit den Verbänden Untersuchungsstandards und einen Bewertungsrahmen erarbeiten, mit denen die Naturverträglichkeit von Windenergieanlagen beurteilt werden kann. Von der Politik erhoffen sich die Beteiligten, dass sie diese Standards dann für alle Betreiber verbindlich vorschreibt. Auch die Zusage
durch juwi, die Verbände über Projekte, die in der Nähe von NATURA-2000-Gebieten geplant sind, bereits im Vorfeld zu informieren, eröffne die Möglichkeit, sich frühzeitig einzubringen und damit Verbesserungen in Genehmigungsverfahren zu erreichen.
Die wesentlichen Regelungen des Vergleichs im Einzelnen:
Regelungen zum Fledermausschutz
(1) juwi verpflichtet sich gegenüber den Verbänden die Windenergieanlagen nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen zu betreiben. Ab der Übertragung – jedoch nicht vor Übermittlung einer Bestätigung von der Übertragung durch juwi und die Betreiber an die Verbände – treffen die folgenden Verpflichtungen die Betreiber. Die Genehmigungsdokumentation bleibt unberührt.
(2) Die WEA sind wie folgt abzuschalten (Abschaltalgorithmus):
– 1. April bis 31. August: 1 Stunde vor Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang;
– 1. September bis 31. Oktober: 3 Stunden vor Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang.
Die Abschaltung erfolgt jedoch nur bei einer Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe von ≤ 6 m/s und einer Temperatur von ≥ 10 °C.
(3) Gleichzeitig erfolgt eine Schlagopfersuche an zehn aufeinander folgenden Tagen jeden Monats von 1. April bis 31. Oktober. Zur Ermittlung von Korrekturfaktoren werden einmal pro Monat Auslegeversuche mit Kadavern und Versuche zur Sucheffizienz der Schlagopfersucher durchgeführt
(4) Die Erfassungsboxen sollen an den Windenergieanlagen E1, S4, S1 und E4 angebracht werden. Dies steht unter dem Vorbehalt, dass der NABU nicht aufgrund einer Begutachtung vor Ort bis zum 1. März 2013 alternativ bis zu vier andere Windenergieanlagen von juwi an dem Standort Ellern hierfür benennt.
(5) Wie im Genehmigungsbescheid vorgesehen, findet nach dem ersten Jahr eine Anpassung des Abschaltalgorithmus statt. Der Abschaltalgorithmus ist dann nach dem ersten Jahr nach der Methode von Brinkmann et al.(2011) – Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen – so festzulegen, dass nicht mehr als durchschnittlich
– 0,5 Todfunde/WEA/Jahr beim Kleinen Abendsegler,
– 1,0 Todfunde/WEA/Jahr beim Großen Abendsegler und
– 2,0 Todfunde/WEA/Jahr bei allen Fledermausarten zusammen
festzustellen sind. Die Parteien sind sich darüber einig, dass zwischen ihnen noch Abstimmungen über die Bewertung der Monitoringergebnisse notwendig sind (z.B. Zuordnung nicht eindeutiger Daten zu den beiden Abendseglerarten). Über diese werden sie sich nach Ablauf des ersten Monitoringjahres abstimmen.
(6) Mit dem Monitoring und der Auswertung wird, das Büro von Herrn Brinkmann, Freiburg, beauftragt
werden. Mit der Auswertung werden auch Protokolle über die erfolgten Abschaltungen sowie die gemessenen Temperaturen und Windgeschwindigkeiten (Daten) den Verbänden vorgelegt werden.
(7) Nach Vorliegen der Monitoringergebnisse der ersten beiden Jahre entscheiden die Parteien gemeinsam, ob die vorliegenden Daten für eine Beurteilung ausreichen oder das Monitoring verlängert wird.
(8) juwi prüft, ob die Anbringung einer zusätzlichen Erfassungsbox am Mast, etwa in Höhe des Beginns der Rotorblätter, technisch möglich ist. Sofern dies technisch und mit vertretbarem finanziellem Aufwand möglich ist, wird es an einer Windenergieanlage umgesetzt. Die Windenergieanlage soll anhand der Ergebnisse
des Gondelmonitorings nach dem ersten Untersuchungsjahr einvernehmlich zwischen juwi
und den Verbänden festgelegt werden.
(9) Die Betreiber verpflichten sich, die Verpflichtungen aus diesem Paragraphen auf zukünftige Erwerber zu übertragen, sollten sie die WEA im Wege eines Asset Deal veräußern.
Informationen
(1) juwi wird den NABU und BUND zukünftig über alle Genehmigungsanträge in Rheinland-Pfalz informieren. NABU und BUND benennen dafür jeweils eine feste Kontaktperson, denen juwi Informationen über die Lage (Lageplan) und die Art der beantragten WEA (Typ und Nabenhöhe) übermittelt.
(2) Sofern es sich um WEA handelt, die in einem Abstand von 1.000 m, gemessen ab Mastmittelpunkt, zu einem VSG- oder FFH Gebiet liegen, wird juwi die Kontaktperson rechtzeitig vor Antragstellung darüber informieren und gemeinsam die Notwendigkeit einer FFH-Vorprüfung und/oder einer FFHVerträglichkeitsprüfung
besprechen. Eine Besprechung ist dann nicht notwendig, wenn juwi sich zur Erstellung
einer FFH-Verträglichkeitsprüfung entschließt. juwi verbleibt in seiner diesbezüglichen Entscheidung
frei.
Gerichtsverfahren und dessen Kosten
(1) juwi übernimmt die Gerichts- und Verfahrenskosten der Verbände.
Sonstiges
(1) juwi und die Verbände werden bei Bedarf auch gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten.
(2) Sie sind sich darüber einig, dass weitere WEA im „Soonwald“ nicht mehr naturverträglich sind. „Soonwald“ ist der aus der Anlage S, die Bestandteil dieser Vereinbarung ist, ersichtliche, farblich markierte Bereich. Deshalb verzichtet juwi – einschließlich von Tochtergesellschaften – auf den Bau weiterer WEA im Soonwald. Davon ausgenommen kann der Bau einer eventuell weiteren WEA südöstlich anschließend an die vorhandenen WEA im Bereich Seibersbach-Hochsteinchen sein. Dieser Bereich ist im Regionalen Raumordnungsplan als Vorrangfläche ausgewiesen und wird derzeit von der Verbandsgemeinde in einem entsprechenden förmlichen Verfahren in den Flächennutzungsplan gemäß § 1 Abs. 4 BauGB übernommen. juwi und die Verbände sind sich darüber einig, dass sie die weitere Planung gemeinsam wie folgt vornehmen wollen: Begehung des möglichen Standorts, Festlegung Untersuchungsumfang und interne Festlegung der Kriterien für die Genehmigung. juwi wird die Anlage nicht gegen den Widerstand der Verbände errichten.
(3) juwi und die Verbände vereinbaren eine Kooperation zur Entwicklung von Untersuchungs- und Bewertungsstandards. Die von einer dazu gegründeten Arbeitsgruppe einvernehmlich festgelegten Ergebnisse werden beide Parteien der Landespolitik als allgemeinverbindliche Standards vorschlagen.