Wirkt sich Infraschall auf die Gesundheit aus?


 
Die Wissenschaft ist sich in dieser Frage uneinig
Von unserem Mitarbeiter Klaus Müller
Karlsruhe. Dass Windkraftanlagen Infraschall produzieren, ist unbestritten. Durch die Rotation der gewaltigen Flügel entstehen vereinfacht ausgedrückt Luftschwingungen. Die Gretchenfrage dabei ist, ob dieses Schwingen sich überhaupt, und wenn ja, in welcher Form, auf den Menschen auswirkt. Um eines gleich vorwegzunehmen: Genau darum, um die Auswirkungen oder eben Nicht-Auswirkungen des Infraschalls wird kräftig diskutiert, gestritten und gemutmaßt.
Ausgangspunkt
Bernhard Voigt, Arbeitsmediziner aus Gaggenau, wandte sich in einem Brief an diese Zeitung. In seinem Leserbrief widersprach er der Behauptung, Infraschall habe keinen relevanten Einfluss auf die Gesundheit (BNN-Artikel vom 27. Februar – „Kein relevanter Einfluss“); für ihn eine Behauptung, die so keinesfalls richtig sei. Voigt beruft sich auf entsprechende Studien, unter anderem des Robert-Koch-Instituts Berlin, in denen von einem „relevanten Einfluss von Infraschall auf die menschliche Gesundheit“ die Rede ist.
Die Positionen dabei sind vielfältig: In der Tat, an der Aussage ist was dran. Es gibt Untersuchungen, bei denen Menschen direkt einer Infraschallquelle (und das mit wenig Abstand) ausgesetzt waren. Bei „direkter Bestrahlung“ werde Infraschall vom Gehirn tatsächlich registriert, bestätigte Umweltmedizinerin Snezana Jovanovic vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg. Das wiederum, meint Voigt, würde zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen: „Weltweit sind bereits Tausende von Menschen registriert worden, die unter dem Windkraftsyndrom Infraschall leiden.“ Zu den Symptomen gehörten Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Gedächtnisprobleme, Schwindel und Übelkeit.
Zu einem anderen Ergebnis kommt die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), nachzulesen in einem Info-Flyer zum Thema „Windenergie und Infraschall“. Dort heißt es: „Der von Windenergieanlagen erzeugte Infraschall liegt in deren Umgebung deutlich unterhalb der Wahrnehmungsgrenzen des Menschen. Nach heutigem Stand der Wissenschaft sind schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windenergieanlagen nicht zu erwarten“. Grundlage für diese Erkenntnis bildet nach Auskunft von Martin Hoffmann, Leiter des LUBW-Referates Technischer Arbeitsschutz und Lärmschutz, ein Messprojekt im Zeitraum 2013 bis 2015 über „tieffrequente Geräusche inklusive Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“. Gemessen wurde in Entfernungen von 150, 300 und 700 Metern zu Windkraftanlagen – mit dem Resultat: „Die Messergebnisse liegen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle für Menschen“. Rein physikalisch – nichts anderes bilden die Messungen ab – bestehe somit keine Gefahr.
Forschung und Folgerungen
Im besagten Flyer „Windenergie und Infraschall“ taucht als Mitherausgeber auch das Landesgesundheitsamt auf. So ganz unterschreiben wollte im Gespräch mit den BNN Umweltmedizinerin Jovanovic die Grundaussage in dem Flyer dann doch nicht. Genau genommen gebe es weder Beweise dafür, dass der von Windkraftanlagen erzeugte Infraschall unschädlich wäre, noch dass er doch schädlich sein könnte. In dem Bereich müsse mehr geforscht werden. Gleichwohl, und darin stimmt sie mit Martin Hoffmann überein, dürfte der Zuwachs an weiteren Hintergrundbelastungen durch Windkraftanlagen im Vergleich zu anderen bestehenden Lärmquellen (zum Beispiel Verkehr) fast schon vernachlässigbar sein.
Entscheidend dabei sei aber die Entfernung von Windkraftanlagen zu Siedlungsflächen, kontert Bernhard Voigt. Für ihn sind mit Blick auf mögliche Infraschallauswirkungen die derzeit gültigen Abstände (rund ein Kilometer) viel zu gering. Es müssten mindestens 20 Kilometer sein.
Vorläufige Zwischenbilanz
Das ist schon eine eigenartige Geschichte rund um den Infraschall. Sie erinnert an den Umgang mit wissenschaftlichen Entwicklungen – mit dem Fortschritt ganz allgemein. Gerne werden in diesem Zusammenhang Formulierungen wie „nach heutigem Stand der Wissenschaft …“ benutzt. Sicher, wie es morgen oder übermorgen aussieht, weiß niemand. Snezana Jovanovic vom Landesgesundheitsamt bringt es ungewöhnlich offen auf den Punkt: „Technologien entwickeln sich mitunter schneller, als die Forschung darüber, wie sie sich (die Technologien) auf Natur, Menschen und Tiere auswirken könnten“.