Regionalverbandsdirektor Gerd Hager im Gespräch über den Windenergieausbau in der Region
BNN-Interview
Kreis Karlsruhe. Es ist ein ambitioniertes Ziel: Von aktuell knapp 17 auf 38 Prozent soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2020 gesteigert werden – so der Plan der Landesregierung. Energieexperten sehen dabei die größten Chancen in der Windkraft. Über welches Potenzial die Region in dieser Hinsicht verfügt und auf welchem Stand sich Planungs- und Bauvorhaben für Windräder befinden, darüber sprach unser Redaktionsmitglied Britta Baier mit Gerd Hager, Direktor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein.
Herr Hager, welchen Stellenwert hat die Windkraft in der Region?
Hager: Unser Gebiet ist das windschwächste in Baden-Württemberg. Das wird im Bereich der erneuerbaren Energien also sicher nicht der Sektor sein, auf dem wir nachhaltig punkten können. Für uns sind ganz klar Wasserkraft und Solar die stärksten Energielieferanten. Die Windkraft wird gleichwohl ihren Beitrag zum regionalen Energiemix leisten.
Ist trotz der geringen Messwerte vorgesehen, die Windkraft auszubauen?
Hager: Ja. Wir haben eine Flächenplanung vorgenommen, die Vorranggebiete – prädestinierte Gebiete für den Bau von Anlagen – auszeichnet. Diese liegt beim Ministerium für Verkehr und Infrastruktur zur Genehmigung vor. Laut Planung sollen einmal 40 bis 50 Windkraftanlagen in der Region aktiv sein.
Von welchem Zeitraum gehen Sie bei der Verwirklichung aus?
Wir stellen uns darauf ein, dass es ein langer Weg wird und das Interesse der Investoren nicht übermäßig ausfällt.
Welche Aspekte spielen für die Energieunternehmen neben den gemessenen Windstärken eine Rolle?
Hager: Das sind vor allem umweltpolitische Entscheidungen, zum Beispiel die Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. In unserer Region gibt es im Moment eine kräftige Förderung für Windkraftanlagen, andernfalls würde sich ihr Betrieb bei den schwachen Windwerten gar nicht lohnen. Spannend ist nun, welchen Kurs die neue Landesregierung einschlägt. Ein zweites wichtiges Argument für die Investoren ist die Akzeptanz in den Kommunen: Ein Investor wird immer eher auf einer Fläche bauen, von der er weiß, dass die Bürger der Windkraft offen gegenüberstehen.
Wo gibt es starken Widerstand?
Besonders in Ettlingen und Malsch bestehen zahlreiche Bürgerinitiativen gegen Windkraft, die vielfach sehr fundiert argumentieren.
Welches sind die Planungsschritte, die bis zur fertigen Windanlage durchlaufen werden müssen?
Hager: Bei unserer Raumplanung legen wir als Regionalverband fest, was minimal an Windkraftflächen entstehen soll. Die Kommunen erarbeiten dann auf der darunterliegenden Ebene eine detaillierte Flächen- und Nutzungsplanung. Dabei sind die Vorgaben des Regionalverbandes das Minimum, die Kommune kann also nicht sagen: „Wir wollen weniger Flächen für Windräder.“ Mehr gehen hingegen immer. Die Kommune kann zudem Gebiete außerhalb der Vorranggebiete festlegen, auf denen sie auf keinen Fall Windräder haben möchte.
Kann ein Investor erst bauen, wenn die Planung auf regionaler und kommunaler Ebene abgeschlossen ist?
Hager: Nein. Da der Bau von Windkraftanlagen unter die Kategorie „Privilegiertes Außenbereichsvorhaben“ fällt, ist es sogar umgekehrt: Solange kein Plan vorliegt, kann ein Investor grundsätzlich bauen, wo er will – wenn er dabei nicht gegen den Artenschutz oder den Immissionsschutz verstößt.
Hat es für den Investor überhaupt Vorteile, die Planung abzuwarten?
Hager: Der Vorteil für den Investor, nach einer abgeschlossenen Flächenplanung zu bauen, ist zum einen, dass wir als Regionalverband bereits prädestinierte Gebiete ausschreiben. Wenn auch die Gemeinden ihren Flächennutzungsplan abgeschlossen haben, kann er zudem anhand der Flächenkulisse besser einschätzen, ob er als Investor willkommen ist – oder mit erheblichem Widerstand aus der Bevölkerung rechnen muss.
Wo ist denn konkret der Bau weiterer Windräder geplant?
Hager: An insgesamt fünf Standorten. Der erste ist das Gelände des Fraunhofer-Instituts in Pfinztal-Berghausen. Dort steht bereits eine Speicheranlage, die zu Forschungszwecken genutzt wird. Nun soll ein Windrad zur Energieerzeugung hinzukommen. Die Genehmigung dazu liegt vor, bis zum Mai 2017 soll der Bau abgeschlossen sein. In Waghäusel, Kronau und Bad Schönborn hat ein örtlicher Investor Interesse an einem Windpark angemeldet. Dort wird noch bis September 2016 die Windstärke gemessen, um die Rentabilität des Standortes einzuschätzen. Außerdem ist eine Repowering-Maßnahme der Windräder auf der Deponie am Rheinhafen in Karlsruhe geplant. Auch dieses Vorhaben ist bereits genehmigt, die Betreiber gehen von einem Baubeginn im ersten Quartal 2017 aus.
Und wie sieht es im südlichen Raum aus?
Hager: Für eine Fläche, die größtenteils in Gernsbach liegt, gibt es mehrere Interessenten. Diese Fläche hat ein relativ starkes Windpotenzial, hier könnten vier bis sechs Räder laufen. Auch auf der westlichen Seite des Baden-Badener Stadtwaldes gibt es Anfragen von Unternehmen. Allerdings erfährt die Windenergie hier auch relativ starken Widerstand, was verständlich erscheint. Schließlich handelt es sich um ein herausragendes Kur- und Tourismusgebiet. Hier gilt es abzuwägen, zwischen einem Beitrag zur regenerativen Energieerzeugung und den berechtigten Kurstadtinteressen.
Mit freundlicher Genehmigung der BNN